Ein Gedicht

THEODOR FONTANE

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,

ein Birnbaum in seinem Garten stand,

und kam die goldene Herbsteszeit

und die Birnen leuchteten weit und breit,

da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,

der von Ribbeck sich beide Taschen voll,

und kam in Pantinen ein Junge daher,

so rief er: "Junge, wiste ne Beer?"

Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,

kumm man röwer, ick hebb ne Birn."

So ging es viel Jahre, bis lobesam

der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam,

Er fühlte sein Ende, 's war Herbsteszeit,

wieder lachten die Birnen weit und breit;

da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.

Legt mir eine Birne mit ins Grab!"

Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,

trugen von Ribbeck sie hinaus.

Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht

sangen "Jesus meine Zuversicht!"

Und die Kinder klagten, das Herze schwer:

"He ist dod nu. Wer giwt uns nu ne Beer?"

So klagten die Kinder. Das war nicht recht-

ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht!

Der neue freilich, der knausert und spart,

hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.

Aber der alte, vorahnend schon

und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,

der wußte genau, was damals er tat,

als um eine Birn ins Grab er bat;

und im dritten Jahr aus dem stillen Haus

ein Birnbaumsprößling sproßt' heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,

längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,

und in der goldenen Herbsteszeit

leuchtet's wieder weit und breit,

und kommt ein Jung übern Kirchhof her,

so flüstert's im Baume: Wiste ne Beer?"

Und kommt ein Mädel, so flüstert's‑ "Lütt Dirn,

kumm man röwer, ick gew di ne Birn ! "

So spendet Segen noch immer die Hand

des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.